Erstellt von Hans Werner Büchel im Sommer 2015

Über das konkrete Aussehen der Kirche des Chorherrenstifts ist nichts bekannt. Erst zu der Kirche des um 1005 errichteten Nonnenklosters, die nach der Auflösung des Stifts (vermutlich in der zweiten Hälfte des 10. Jh.) am Platz der alten Stiftskirche errichtet wurde, liegen Angaben vor. Diese Angaben stammen im Wesentlichen aus den Forschungen des langjährigen Ottweiler Pfarrers und Dechanten Johann Anton Joseph Hansen (*1801, †1875, Pfarrer in Ottweiler ab 1838). Demnach lässt sich das Aussehen der Klosterkirche des Frauenkonvents wie folgt zusammenfassen:

• Der Kirchenbau war dreischiffig, dessen Boden drei Erhöhungen hatte.
• Das Gewölbe wurde auf jeder Seite von 5 einfachen Säulen im Abstand von 17 ½ Fuß getragen, jeweils zwei davon waren als Pilaster in die Wand eingelassen und stammten vom ersten Kirchenbau, da sie halbseitig kanneliert waren.
• Das Nonnenchor wurde in Form einer Emporbühne von Säulen getragen.
• Im Chor stand der Hauptaltar, davor gab es zwei Seitenaltäre. Die Kanzel war im linken, die Sakristei im rechten Kirchenschiff angebracht.
• Im Innern hatte die Kirche eine Länge von 139 Fuß und eine Breite von 55 Fuß.
• Der Fußboden war ursprünglich mit einem Estrich versehen, der später einige Fuß hoch mit Grund aufgefüllt und mit Platten belegt wurde.
• Das Chor war nicht in einem Halbkreis, sondern in einem Dreieck ausgelaufen (Anm.: Apsis)
• Der gotisch geschmückte innen 8 Fuß breite Eingang befand sich an der rechten Seite (Anm.: Südseite)
• Das Kloster schloss sich an der Nordseite an die Kirche an, sein Haupteingang war an der Ecke der Klosterstraße zur Steinbacher Straße.

Hansen gibt uns in seinen Ausführungen lediglich zwei Hinweise auf die ursprüngliche Kirche des Chorherrenstifts. Zum einen die allgemeine Aussage, dass sie im byzantinisch-romanischen Stil erbaut worden sei und zum anderen durch den Hinweis auf die im gotischen Bau verwendeten Pilaster, die seiner Meinung nach vom ersten Bau stammen müssen. Diese Pilaster trugen ursprünglich als „römisch-kannelierte“ Säulen das Gewölbe der Stiftskirche. Für den gotischen Bau wurden sie halbseitig geglättet und mit der kanneliert verbliebenen Seite in die Wand eingebaut, so dass daraus Pilaster mit einer glatten Oberfläche entstanden.


Am 13. Juni 1864 feierte die kath. Kirchengemeinde Ottweiler den tausendsten Jahrestag der Klostergründung. Bei einer Prozession von der Kirche nach Neumünster wurden die beiden alten Zeichnungen (ein Grundriss und eine Ansicht des gotischen Klosterbaus) sowie zwei auf Neumünster gefundene und dem Kloster zugeschriebene alte Schlüssel getragen. Die Ansicht des Klosters trägt die Unterschrift »KLOSTER NEUMÜNSTER: ZWEITER GOTISCHER BAU WIEDERERRICHTUNG«.

Aus welchen Quellen Hansen die zum Teil detaillierten Informationen zum gotischen Kirchenbau bezogen hatte, wissen wir nicht. Er war jedoch Zeit seines Lebens ein versierter Heimat- und Altertumsforscher und unterhielt viele Verbindungen zu den in der Quellenforschung maßgebenden Stellen, hatte Zugang zu Archiven und war sehr geübt im Umgang auch in Latein abgefasster Dokumente. Zudem gab es zu seiner Zeit im Bereich der heutigen Klosterstraße noch wesentlich mehr sichtbare Überreste der Kirche als heute. Auch Kurt Lauermann berichtet mehr als hundert Jahre nach Hansen 1984 über wesentliche Details aus der Klosterstraße:

• in einem Haus ist die Nordwand der Kirche noch als tragende Innenwand erhalten. Sie wurde 1972 zusammen mit einem Turmrest freigelegt und abgetragen. Die Mauer war 80 cm stark und bestand aus fugenlos aufeinandergesetzten Quadersteinen von zwei und mehr Zentnern Gewicht.
• Im Hinterhof eines Hauses befand sich der erhöhte Dreieckschor der Kirche.
• Im gleichen Hof waren noch Säulenstümpfe vorhanden.
• In einem weiteren Haus befinden sich noch Reste der Turmseite, die jedoch mit Platten zugeschlagen sind.

Lauermann rechnete auch die von Hansen angegeben Fußmaße ins metrische System um, so dass wir 43 Meter Länge und 17 Meter Breite im Kircheninnern erhalten. Der Säulenabstand betrug demnach 5,25 Meter.

Sowohl Hansens wie auch Lauermanns Angaben beziehen sich auf die im gotischen Stil erbaute Kirche des Nonnenklosters, die Mitte des 16. Jh. von französischen Truppen zerstört wurde. Im Jahre 1005, als der Nonnenkonvent gegründet wurde, war dieser Baustil jedoch noch unbekannt. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die alte Kirche des Chorherrenstifts im Originalzustand oder in abgeänderter Form zunächst als Kirche dieses Frauenklosters verwendet wurde. Sicher ist, dass zwischen der Aufgabe des Stifts durch die Chorherren (um die Mitte des 10. Jh.) und der Neugründung des Nonnenklosters durch Bischof Adalbero (1005) nur wenige Jahrzehnte liegen. Das ist ein relativ kurzer Zeitraum, in dem es wohl kaum zu einer völligen Ruinierung der alten Stiftskirche gekommen sein konnte.

Was Anlass für den Bau einer völlig neuen Klosterkirche im gotischen Stil war, erschließt sich aus den Unterlagen der Heimatforschung bislang noch nicht. Sicher ist nur, dass mit dem gotischen  Bau frühestens Mitte des 13. Jh. begonnen worden sein konnte, da sich dieser Stil erst zu dieser Zeit bei uns etablierte. Erst aus dem 14. Jh. finden wir in den Überlieferungen einen brauchbaren Hinweis: das Kloster erhielt einen Ablassbrief zugunsten eines Kirchbaus, und der Konvent hatte »in Zeiten von Not und Bedrängnis« einen Schutzbrief von Papst Urban V. (1362–1370) erbeten und mit der Ankündigung auch erhalten »dass er diejenigen, die sich am Klostergut vergreifen und diejenigen, die hierbei falsches Zeugnis ablegen und sich dadurch ebenfalls gegen die Rechte des Klosters Neumünster vergehen, mit der kirchlichen Zensur bestrafe«. Wer sich am Klostergut vergriffen und an seinen Rechten vergangen hatte, wird nicht mitgeteilt. Daher wissen wir nur, dass es zu dieser Zeit offensichtlich eine ernste Krise im Kloster gegeben haben muss. Möglicherweise war diese Krise so tiefgreifend, dass sie zu einer Zerstörung, vielleicht zu einer Brandschatzung geführt hatte. Anlass zu einem solchen Konflikt könnten Ansprüche weltlicher Herrscher gegen Besitzungen des Klosters oder der Metzer Diözese gewesen sein, von denen wir wissen, dass sie zum Teil weit verstreut gelegen waren. Eine Nachricht über eine konkrete kriegerische Auseinandersetzung oder den Einfall fremder Mächte in unsere Gegend liegt aus jener Zeit jedenfalls nicht vor.


Es darf als sicher gelten, dass auf Neumünster einstmals nacheinander drei Kirchen gestanden haben: die des Chorherrenstiftes (errichtet in der Mitte des 9. Jh.), die erste Kirche des Nonnenklosters (Neues Münster ab 1005) und eine zweite gotische Kirche dieses Frauenkonvents (ab dem 15. Jh.). Nach den Ergebnissen der bisherigen Heimatforschung standen diese Kirchen im Bereich der heutigen Klosterstraße, mit dem Chor jeweils nach Osten, vermutlich auf ein und demselben Fundament, dem der ersten Stiftskirche.


Die Karte zeigt das Straßennetz und die Bebauung rund um die Häuserinsel Brühlstraße-Klosterstraße auf der Grundlage der Daten aus der Mitte des 19. Jh. (zur Orientierung mit Angabe der heutigen Straßennamen). Gelb markiert sind die ältesten bekannten Häuser und rot der Rest der alten Friedhofsmauer in der Brühlstraße und der Bereich der Schäferei und des Hofes, die einstmals der Herrschaft zugerechnet wurden.

Der Kirchenbau selbst stand quer zur heutigen Klosterstraße. Die weiteren Klosterbauten waren nördlich davon errichtet worden, Hansen berichtet, der Eingang zur Klosteranlage sei an der Ecke Steinbacher Straße/Klosterstraße gewesen. Wahrscheinlich war der gesamte Bereich mit einer Mauer eingefriedet, so dass an der von Hansen erwähnten Stelle das Pförtnerhäuschen gestanden haben könnte. Südlich der Kirche erstreckt sich ein Bereich bis zur Brühlstraße und zur Hohlstraße, auf dem später der erste christliche Friedhof im Bereich der heutigen Stadt Ottweiler angelegt wurde. Das dürfte zur gleichen Zeit gewesen sein, als es notwendig wurde, eine Taufkirche für die Christen in der Gegend zu bauen; denn eine Klosterkirche durfte damals nicht zugleich Taufkirche sein. Diese dem Johannes gewidmete Kirche entstand am Anfang der Feldstraße auf der linken Seite. Reste des Chors sind dort noch heute erhalten.


Von der ersten Kirche auf dem Neumünster wissen wir aus der Urkunde, dass sie ein »prächtiger und stattlicher Bau« gewesen sei. Von den Heimatkundlern Hansen, Lauermann und anderen haben wir Näheres über die Ausmaße und die Konstruktion dieser Kirche erfahren. Auf der Grundlage dieser Informationen kann man eine Rekonstruktion ihres Äußeren wagen.

Alle Zeichnungen und Karten: © 2015 Hans Werner Büchel · Ottweiler


Grundlage der Zeichnung ist die ideale Form einer romanischen Basilika, wie sie im Südwesten Deutschlands zur Zeit des Chorherrenstifts durchaus üblich war. Die beiden Seitenschiffe des Hauptbaus waren durch Säulenreihen vom Hauptschiff abgegrenzt und der erhöhte, vom Kirchenraum getrennte Chor bildete den Abschluss des Bauwerks nach Osten. In ihm versammelten sich die Chorherren zum gemeinsamen Gebet.


Der Grundrissplan vermittelt einen Eindruck von der Kirche mit den im Norden direkt angebauten übrigen Konventsgebäuden. Im Westen ist auf dieser Zeichnung auch ein Atrium angebaut, ein Raum, in dem sich die Gläubigen reinigten, bevor sie das Gotteshaus betraten. Diese Anordnung der Gebäude des Chorherrenstifts ist auf der folgenden Karte in den Bereich der heutigen Klosterstraße übertragen worden, wodurch man einen Überblick über die denkbare Gesamtanlage des Stiftes erhält.


Auf dieser Karte ist das Straßen- und Wegenetz unterlegt, wie es zur Zeit Hansens auf dem Neumünster vorhanden war. Es war zu Zeit der Stiftsgründung noch nicht vorhanden. Damals dürfte es eine Wegeverbindung (in etwa die Trasse der heutigen Spitalstraße) nach Wiebelskirchen, einen Weg in Richtung Niederlinxweiler (über die heutige Schäfereistraße und Ziegelhütte) und vielleicht auch einen Weg hinunter ins Bliestal gegeben haben. Ottweiler bestand noch nicht, ringsum war alles stark bewaldet und die Blies unten im Tal floss in ihrem von zahlreichen Mäandern geprägten Bett.

Von der äußeren Gestaltung des Chorherrenstifts bekommt man eine ungefähre Vorstellung, wenn man sie mit anderen Bauwerken der gleichen Epoche vergleicht. Mit ein wenig Intuition und Fantasie verdichten sich diese Vorstellungen zu einem konkreten Bild. Die beiden folgenden Aufnahmen zeigen einen Teil des Klosters Hornbach und eine Ansicht der Einhardsbasilika, beides Bauwerke aus der Epoche des Chorherrenstifts.


Das Bild soll einen Eindruck davon vermitteln, wie sich die Überreste eines mittelalterlichen Kirchenbauwerkes dem Betrachter nach hunderten von Jahren zeigen. Ähnlich dürfte es auch in der Ottweiler Klosterstraße ausgesehen haben, als man begann, die Stelle zu bebauen, an der einmal das Koster gestanden hatte.

Das Bild der Einhardsbasilika in Steinbach (bei Michelstadt im Odenwald) vermittelt einen sehr konkreten Eindruck eines erhalten gebliebenen Sakralbaus aus dem 9. Jahrhundert. In dieser Art darf man sich auch die Bauten des Chorherrenstiftes vorstellen.

Stand: 29. Juli 2015 - wird fortgesetzt; HWB