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Die Idee zur Verlegung von Stolpersteinen in Ottweiler wurde nicht von außen an die Stadt herangetragen, sondern entstand im Kopf eines Ottweiler Bürgers. Hans-Joachim Hoffmann, Jahrgang 1951 und Lehrer am Ottweiler Gymnasium, setzte sich vor nunmehr zehn Jahren erstmals mit der Geschichte der Ottweiler Juden auseinander, als er zusammen mit Pfarrer Hartmut Thömmes die Ausstellung „Das ehemalige jüdische Leben im evangelischen Kirchenkreis Ottweiler“ erarbeitete und in der Aula des Gymnasiums zur Präsentation brachte. Von dieser Ausstellung beeindruckt regte Landrat Dr. Rudolf Hinsberger drei Jahre später an, die Lebenswege der jüdischen Familien des Kreises zu skizzieren. Ergebnis dieser Arbeit war das vom Landkreis Neunkirchen herausgegebene und 2009 der Öffentlichkeit vorgestellte Werk »Lebenswege jüdischer Mitbürger«. Auf mehr als einem Drittel der über 200 großformatigen Seiten dieses Buches legte Hans-Joachim Hoffmann das Ergebnis seiner in den Jahren zuvor erfolgten Recherchen zum jüdischen Leben in Ottweiler dar. In seinem Beitrag »Spurensuche: Zu lehren gab ich in dein Herz« beschreibt Hoffmann Leben und Schicksal von Samuel Levy und Dr. Felix Coblenz, zwei der herausragenden Persönlichkeiten der jüdischen Gemeinde von Ottweiler.

Hans-Joachim Hoffmann bei einer Führung auf dem jüdischen Friedhof im Jahre 2015

Während dieser Arbeit entwickelte sich bei Hoffmann auch eine intensive Beschäftigung mit dem jüdischen Friedhof von Ottweiler. Als Ergebnis dieser Recherchen konnte im Oktober 2012 die Ausstellung »Gebrochene Säule – Von der Integration zur Deportation« in den Räumen des Stadtgeschichtlichen Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dabei war Hoffmann zu der Erkenntnis gelangt, dass die besondere Bestattungskultur auf dem jüdischen Friedhof als »Haus des Lebens«, als »Haus der Ewigkeit« für die jüdische Bevölkerung sehr wichtig und bedeutungsvoll war. Er selbst sagt dazu: „Die Auseinandersetzung mit der jüdischen Friedhofskultur veranlasste mich, ‚Stolpersteine‘ als symbolische Grabstätten für die vernichtete jüdische Bevölkerung vorzuschlagen.“ Bereits ein Jahr später zeigte sich der neue Bürgermeister Holger Schäfer vorbehaltlos offen zur Initiative von Hans-Joachim Hoffmann und unterbreitete dem Stadtrat eine Beschlussvorlage zur Umsetzung der Aktion Stolpersteine in Ottweiler.


In seiner Sitzung am 31.01.2013 fasste der Rat der Stadt Ottweiler auf Empfehlung des Ortsrates und des Bau- und Umweltausschusses einstimmig den Beschluss, das Projekt Stolpersteine in Ottweiler zu unterstützen und im kommenden Jahr umzusetzen.

Parallel zu dieser Entscheidung hatte der Stadtrat zuvor beschlossen, die im Jahre 1933 an Paul von Hindenburg, Adolf Hitler, Hermann Göring und Alois Spaniol verliehenen Ehrenbürgerwürden der Stadt Ottweiler symbolisch abzuerkennen.


Die gesamte, nicht immer reibungslos verlaufene Vorgeschichte der Verlegung von Stolpersteinen in Ottweiler, aber auch die kontroverse Diskussion über die symbolische Aberkennung der Ottweiler Ehrenbürgerschaften für NS-Größen hat Hans-Joachim Hoffmann 2015 in einem eigenen Buch niedergeschrieben: »SEID VORSICHTIG MIT DER OBRIGKEIT...! Beitrag zur Erinnerungskultur und Lokalgeschichte Ottweilers«


Das Werk bietet gemeinsam mit den anderen Beiträgen und Publikationen des Autors eine ausgezeichnete Grundlage zur weiteren Erforschung der jüdischen Kultur in Ottweiler, die mehr als 150 Jahre das Bild der Stadt mitgeprägt hatte und die gewaltsam ausgelöscht wurde. Allein der jüdische Friedhof ist als Erinnerung daran geblieben.

Das Buch ist im ARCHÄOLOGIE Büro & Verlag GLANSDORP, Tholey 2015 erschienen. ISBN 978-3-946313-01-4



Diese erste, nach den Angaben in der »Häuser- und Familienchronik der Stadt Ottweiler« von 1870 erarbeitete Zusammenstellung beinhaltet die konkreten Wohnhäuser jüdischer Familien in der Stadt. Sie kann hier als PDF-Dokument geöffnet und gelesen werden.



Freitag, 21. Februar 2014. "In Gedenken an die Schicksale jüdischer Familien, politisch Verfolgter und Euthanasieopfer aus Ottweiler wurde das Projekt "Stolpersteine" auf den Weg gebracht. Mit diesen Gedenksteinen soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordert, deportiert oder in den Suizid getrieben wurden." Mit diesen Worten hatte Bürgermeister Holger Schäfer zur Verlegung der ersten zehn Stolpersteine in unserer Stadt eingeladen. Und erfreulich viele Mitbürgerinnen und Mitbürger waren dieser Einladung gefolgt. Dass das Gedenken an die jüdische Geschichte Ottweilers nicht allein eine Angelegenheit der alten Generation ist, bewieß die Teilnahme vieler junger Menschen, darunter Schülerinnen und Schüler vom Ottweiler Gymnasium, die sich aktiv in die Gestaltung der Veranstaltung einbrachten.


Gedenken vor dem Landratsamt: Erika Hügel, die Vertreterin der jüdischen Gemeinde, zwei Schüler des Gymnasiums und Bürgermeister Holger Schäfer; im Hintergrund Pater Otto Kutka und Diakon Peter Munkes.

Das Gedenken an diesem Freitag begann vor dem Haus Gäßling 42, in dem die Familie Barth, die Eltern Heinrich und Emma mit ihren Söhnen Friedrich und Max wohnte. Während den Söhnen die Emigration in die USA gelang, wurden Heinrich und Emma Barth im Zuge der Aktion Bürkel 1940 zunächst nach Gurs deportiert und 1942 im KZ Auschwitz ermordet. Vier Stolpersteine erinnern nun an den letzten frei gewählten Wohnsitz der Familie Barth.



Zweite Station war das Anwesen Wilhelm-Heinrich-Straße 12, in dem die Familie Cahn, die Eltern Alfred und Gertrud mit ihren Töchtern Edith und Marianne lebte. Die Töchter verliesen ihre Heimatstadt Ottweiler wegen ihrer Ausbildung nach Hamburg, wurden dort 1941 deportiert und 1944 in Stutthof ermordet. Alfred Cahn wurde 1938 erstmals ins KZ Dachau deportiert, im gleichen Jahr aber wieder entlassen. Mit der Aktion Bürkel wurden Alfred und Gertrud Cahn 1940 nach Gurs deportiert und 1942 in Auschwitz ermordet. Auch hier erinnern von nun an vier Stolpersteine an den letzten frei gewählten Wonsitz der Familie Cahn.



Der Haupteingang vor dem Landratsamt in der Wilhelm-Heinrich-Straße war die dritte Station der Stolperstein-Verlegung. Hier lebte in einer Wohnung des Witwenpalais seit 1859 die jüdische Familie Felix und Claire Coblenz, deren Sohn Oskar als eines von vier Kindern hier aufwuchs. Oskar Coblenz leitete in Berlin bis 1934 die Niederlassung des französischen Calmann-Levy-Verlages; danach verliert sich seine Spur. Allein in "The Central Database of Shoah Victims´ Names" findet sich der Hinweis, dass Oskar Coblenz und seine Ehefrau Elise im KZ Sobibor ermordet wurden.





Initiator der Aktion Stolpersteine ist der 1947 in Berlin geborene und heute bei Köln lebende Künstler Gunter Demnig. Seit Beginn der Aktion 1997 hat er in ca. 1.000 Orten in Deutschland und anderen europäischen Ländern mehr als 43.500 Stolpersteine verlegt und mit diesem Gesamtwerk das größte dezentrale Mahnmal in Europa geschaffen. Eine ausführliche Beschreibung dieses Lebenswerkes von Gunter Demnig finden Sie auf www.stolpersteine.eu


Großes Interesse herrschte auch im Anschluss an die Verlegungsaktion in den Räumen des Stengelschen Pavillions, bei der die Bedeutung der Aktion Stolpersteine ausführlich gewürdigt wurde. Links im Bild wird die Veranstaltung von einem Schüler des Ottweiler Gymnasiums für die Gesamtdokumentation der Aktion festgehalten.


Der Künstler Gunter Demnig war am Dienstag, 21. April erneut in Ottweiler und verlegte im Rahmen der zweiten Verlegeaktion in der Enggaß und in der Martin-Luther-Straße insgesamt elf neue Stolpersteine vor den letzten Wohnstätten Ottweiler Juden. Auch in diesem Jahr erfuhr diese Aktion eine große Resonanz in der Öffentlichkeit. Alle elf Steine konnten durch Spenden finanziert werden.

Die nachfolgenden biografischen Skizzen sind der Begleitschrift zur Verlegeaktion der Stolpersteine entnommen.


Die diesjährige Aktion galt dem Andenken an drei Familien des Namens Salm, die einmal in Ottweiler ansässig waren und die nach 1935 leidvoll erfahren mussten, dass die Stadt ihnen kein dauerhaftes Heimatrecht gewähren werde.



Das Haus der Familie Artur Salm stand in der hinteren Martin-Luther-Straße stadtauswärts auf der rechten Seite und wurde nach dem Krieg abgetragen.

Die Familie hatte Ottweiler kurz vor der berüchtigten »Aktion Bürckel« fluchtartig nach Frankreich verlassen können. Der Vater Artur wurde in Frankreich verhaftet und im Konzentrationslager Ausschwitz ermordet. Seine Ehefrau und die beiden Töchter überlebten in Frankreich und sahen sich nach dem Krieg, mittellos, einer Umwelt gegenüber, die nicht mehr damit gerechnet hatte, dass Juden zurückkommen.

Die vier Stolpersteine für diese Familie wurden vor dem Parkplatz neben dem Dienstgebäude II des Landratsamtes verlegt.



Auch das Haus der Familie Max Salm in der Martin-Luther-Straße steht nicht mehr. Es wurde beim Bombenangriff am 12. September 1944 zusammen mit der gesamten Häuserzeile zerstört.

Max Salm war mit seiner Frau Emilie (Milli) im Jahre 1890 nach Ottweiler gekommen und hatte sich als Viehhändler hier niedergelassen. Die beiden Kinder Fritz und Ilse kamen hier zur Welt. Im Zuge der »Aktion Bürkel« erfolgte dann am 22.10.1940 die Deportation der gesamten Familie nach Gurs. Max wurde in Drancy interniert und in Majdanek ermordet, Milli und die Kinder Fritz und Ilse in Ausschwitz ermordet.

Auch die vier Stolpersteine der Familie Max Salm wurden vor dem Parkplatz in der Martin-Luther-Straße verlegt.



Im Haus Enggaß 5, in dem die Familie Julius Salm wohnte, befindet sich heute das bekannte Modehaus Neufang-Rennwald. Damals trug die Enggaß den Namen Friedrichstraße.

Julius Salm war 1918 von Ottweiler nach Dortmund gezogen und hatte dort 1921 die aus Falkenstein in Westpommern zugereiste Erna Lewin geheiratet. 1923 kam in Dortmund der Sohn Kurt zur Welt. 1930 übersiedelte die Familie nach Ottweiler, wo sich der Vater als Kaufmann etablieren konnte. Nach der Volksabstimmung im Saarland des Jahres 1935 flüchtete die Familie nach Paris. Julius Salm eröffnete dort eine Fabrik zur Schlipsherstellung, verstarb aber bereits im Jahre 1939. Erna Salm floh mit ihrem Sohn Kurt nach Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich nach Lyon. Nach der Besetzung der Stadt durch deutsche Truppen im Jahre 1942 lebten beide dort im Untergrund, aus Furcht vor der Verfolgung. Kurt Salm wurde während einer großen Razzia im Mai 1944 entdeckt, nach Ausschwitz deportiert und 1945 in Buchenwald ermordet. Erna Salm blieb allein zurück. Nach der Befreiung im August 1944 war sie völlig mittellos, auf sich allein gestellt und durch das Leben im Untergrund gesundheitlich stark geschwächt. Sie verwahrloste immer mehr, bevor sie schließlich bei Bekannten in Israel unterkommen konnte. Vielleicht hat sie dort für ihre letzten Tage noch einmal das Gefühl von Heimat erfahren dürfen.

Die drei Stolpersteine für die Familie Julius Salm wurden direkt vor dem Haus Enggaß 5 in das Pflaster verlegt.


Das herrliche Spätsommerwetter an diesem Donnerstagmorgen mag daran erinnern, dass auch die jüdischen Mitbürger einst schöne und unbeschwerte Tage in ihrer Heimatstadt Ottweiler erlebt hatten.

Der Künstler Gunter Demnig, der mit den Solpersteinen ein dezentrales europäisches Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus errichtet, war zum dritten Mal in der Stadt, um die vorerst letzten neun Steine vor den letzten Wohnstätten Ottweiler Juden zu verlegen.



Im Haus Bahnhofstraße 25 wohnten die Eheleute Edmund Myrthyl und Germaine Herrmann. Ihr Sohn Edmund Myrtil kam am 20. Mai 1930 zur Welt und überlebte den nationalsozialistischen Staatsterror als einziger in der Familie. Nach der Pogromnacht 1938 in Ottweiler wurde der Vater am 15. November als Schutzhaftjude in das KZ Dachau eingeliefert. Die letzte Wohnstätte der Familie Herrmann vor der Deportation war die Straße Im Holzgehege 15 in Neunkirchen. Dass dennoch in Ottweiler Stolpersteine verlegt wurden, hat Gründe: Der Vater Edmund Myrthyl lebte insgesamt 34 Jahre, von seiner Geburt bis zum Wegzug, in Ottweiler. Dieser Wegzug erfolgte nicht aus freien Stücken, sondern war Folge der Ausschaltung der Juden aus dem Ottweiler Wirtschaftsleben, die ihm die Existenzgrundlage als Kaufmann und Händler entzogen hatte.


Am 22. Oktober 1940 wurden Myrthyl, Germaine und Myrtil Herrmann nach Gurs deportiert. Die Mutter Germaine wurde am 13. September 1942 in ein Frauenlager nach Drancy verschleppt, von dort folgte ihr letzter Weg in das Vernichtungslager Ausschwitz. Der Vater Myrthyl kam am 8. Dezember 1943 nach Ausschwitz. Das Kind Edmund Myrtil, zur Zeit der Deportation gerade einmal zehn Jahre alt, kam zunächst in ein französisches Kinderheim. Als Zwölfjähriger konnte er über Frankreich und Spanien nach Palästina fliehen.


Caroline Wolff war am 18. Oktober 1865 in Nalbach zur Welt gekommen und hatte am 28. Februar 1894 mit dem aus Oberemmel/Konz stammenden Moses Herrmann die Ehe geschlossen, aus der am 12. Juli 1896 der in Ottweiler geborene Myrthyl Herrmann hervorging. Ihr Mann starb als Achtzigjähriger im Jahre 1931; Caroline Herrmann blieb nach dem Tod ihres Mannes weiter in Ottweiler wohnen. Am 22. Oktober 1940 wurde sie im Rahmen der „Aktion Bürckel“ nach Gurs deportiert. Im hohen Alter von 75 Jahren musste sie die Deportation, Internierung und Weiterverlegung ins Lager Rivesaltes erleiden. Caroline Herrmann verstarb kurz nach der Verlegung am 3. September 1941 und wurde auf dem Dorffriedhof bestattet, wo ein Grabmal ihren Namen festhält. Ihr Tod hatte sie vor der Vernichtung in einem der Lager des Ostens gerettet.



Der am 10. November 1869 in Feldberg geborene Leo Salomon und seine Frau Bertha, am 4. März 1873 in Wiebelskirchen geboren, bewohnten dieses heute sehr schön restaurierte Haus in der Ottweiler Altstadt. Aus ihrer Ehe waren zwei Töchter hervorgegangen, Rosa, geboren am 28. Januar 1897 und Flora, geboren am 28. Februar 1905, beide in Ottweiler. Rosa heiratete am 6. August 1926 den aus Brotdorf stammenden Robert Marx. Aus der Ehe ging der am 2. September 1929 geborene Sohn Horst hervor. Nach dem frühen Tod ihres Mannes Robert kehrte Rosa Marx zusammen mit ihrem Sohn Horst wieder in die Tenschstraße nach Ottweiler zurück.


Leo und Berta Salomon sowie Horst und Rosa Marx fielen am 22. Oktober 1940 der „Aktion Bürckel“ zum Opfer und wurden nach Gurs deportiert. Flora Salomon war 1930 nach Essen verzogen. Das Ehepaar Salomon wurde 1944 in Montélimar befreit. Leo Salomon sah dennoch seine Heimatstadt Ottweiler nicht wieder, da er 1945 bei einem Autounfall ums Leben kam. Bertha Salomon wanderte zusammen mit ihrer Tochter Flora nach New York aus, wo beide bis zu ihrem Tod 1958 bzw. 1987 lebten.  Der zweiten Tochter der Salomons, Rosa Marx, blieb der Gang in die Vernichtung nicht erspart. Nach der Deportation nach Gurs folgte die Internierung im Lager Drancy und 1942 die Ermordung in Ausschwitz. Ihrem Sohn Horst Marx gelang 1942 zunächst die Flucht aus Gurs und 1944 dann die endgültige Rettung in die Schweiz. 1949 folgte die Auswanderung nach Amerika.

Das Verlegen der Stolpersteine begleiteten auch in diesem Jahr Schülerinnen und Schülern der Gemeinschaftsschule Anton Hansen und des Gymnasiums Ottweiler mit biografische Skizzen. Diakon Peter Munkes (katholische Kirche), Pfarrer Erhard Kern (evangelische Kirche) und Erika Hügel (Synagogengemeinde Saar) sprachen dazu Fürbitten.


Schüler der Anton Hansen Schule mit Bürgermeister Holger Schäfer vor dem Haus der Familie Salomon/Marx in der Tenschstraße


Von links: Erika Hügel von der Synagogengemeinde Saar, Bürgermeister Holger Schäfer und Hans-Joachim Hoffmann


Bei unserer im Mai 2014 erfolgten Städtereise nach Hamburg im Rahmen unseres Kurzurlaubsprogramms sind wir auch in der Hansestadt über einige Steine "gestolpert". Und dabei spürten wir: das Stolpern bezieht sich tatsächlich auf den Geist, auf die Gedanken, die man beim Entdecken der Messingplatten in den Kopf bekommt. Und auch das stimmt: beim Lesen der Inschriften neigt man sich zwangsläufig nach unten und verbeugt sich so vor den Opfern.

Den ersten Stein entdeckten wir in einer Seitenstraße von Hamburg-Neustadt, in direkter Nähe des Rathauses.


Das Haus, in dem Ernst Schnädelbach wohnte, hatte die "Aktion Gomorra", die fast vollständige Zerstörung der Hamburger Innenstadt durch britische und amerikanische Fliegerverbände im Zweiten Weltkrieg, überstanden, der Hamburger Jude wurde jedoch bereits 1938 verhaftet und ins Außenlager Gusen des KZ Mauthausen verbracht, wo er am 7. Mai 1943 ermordet wurde.

Zwei weitere Stolpersteine entdeckten wir am Glockengießerwall, ganz in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs. Dort wohnte Julia Schwarzwald, die, von den Nazis gedemütigt und entrechtet, 1942 in den Tod getrieben wurde. Im gleichen Anwesen lebte auch Eugen Gowa, der 1943 im Alter von 39 Jahren deportiert und in Ausschwitz ermordet wurde. Auch in den anderen Stadtteilen Hamburgs, wie in St. Pauli, mahnen Stolpersteine, das unvorstellbare Grauen des Holocaust nicht zu vergessen.


Das Haus am Glockengießerwall wurde ein Opfer des Bombenterrors gegen Hamburg. Die beiden Juden aus diesem Haus wurden Opfer des Terrors gegen die Menschlichkeit.



In den vergangenen Jahren waren wir sehr häufig in Mainz zu Gast. Auch diese Stadt mahnt durch die Verlegung von Stolpersteinen wider das Vergessen an.

»Als im Jahre 1933 die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übernahmen, gab es in Mainz ein reges, jüdisches Gemeindeleben mit etwa 2600 Mitgliedern. Der Unterdrückung und Demütigung der Mainzer Juden folgte schließlich die Vernichtung. Am 10. Februar 1943 ging der letzte Transport von Mainz aus in die Konzentrationslager. Bei der Befreiung durch amerikanische Truppen 1945 lebten nur noch wenige Juden in sogenannten Mischehen in Mainz. Historiker schätzen, dass ungefähr 1.300 bis 1.400 Mainzer Juden ermordet wurden.

In Mainz (inkl. Mainz-Kastel) wurden seit dem Jahr 2007 bereits 115 Stolpersteine und eine Stolperschwelle verlegt.«


(Quelle: Homepage der Stadt Mainz > Jüdisches Mainz > Stolpersteine)


Über diese Steine »stolperten« wir am 1. März 2015 beim Rückweg von der Mainzer Altstadt zum Bahnhof. Sie gedenken der jüdischen Familie Oppenheimer, die am Schillerplatz ihre letzte Wohnstätte vor der Deportation hatte. Dieser repräsentative frühere Marktplatz der Stadt ist heute besonders bekannt als der Ort, an dem der »Fastnachtsbrunnen« steht.